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Familienstammbaum: Die Geschichte der Familie- ein unsichtbares Erbe

Aktualisiert: vor 7 Tagen


Die Geschichte der Familie: Ein unsichtbares Erbe

Es gibt Momente im Leben, in denen Du vielleicht das Gefühl hast, dass Du mit etwas Größerem verbunden bist, etwas, das tiefer reicht als Deine eigenen Erfahrungen. Ein unsichtbares Band, das Dich an Menschen bindet, die Du nie kennengelernt hast. Ein Erbe, das nicht in Form von Besitz, Geld oder materiellen Dingen weitergegeben wird, sondern in den Geschichten, den Lehren und den unausgesprochenen Regeln, die über Generationen hinweg in Deiner Familie weitergegeben werden.

Die Geschichte Deiner Familie ist mehr als nur eine Chronik von Geburten, Hochzeiten und Todesfällen. Sie ist ein unsichtbares Erbe – ein Netz aus Emotionen, Glaubenssätzen, Schicksalen und Traumata, das Du durch Deine Gene, Deine Erziehung und die unzähligen Erzählungen, die Dir von Deinen Eltern und Großeltern überliefert wurden, weiterträgst. Und es beeinflusst alles: Dein Verhalten, Deine Ängste, Deine Ziele und, nicht zuletzt, Deine Entscheidungen im Leben.

Doch was genau prägt uns? Was nehmen wir aus der Familiengeschichte mit, ohne es bewusst zu wissen? Wie wirkt sich die Vergangenheit auf das Hier und Jetzt aus?



Die Geschichte der Familie: Ein unsichtbares Erbe

Genetisches Erbe: Mehr als nur ein Code

Natürlich ist es naheliegend, dass uns unsere Gene beeinflussen. Aber sie sind nicht nur ein biologisches Erbe, das uns Augenfarbe, Körpergröße oder Neigung zu bestimmten Krankheiten vererbt. Unsere Gene tragen auch Spuren der emotionalen und psychischen Erfahrungen unserer Vorfahren. Studien zur Epigenetik, einem relativ jungen Forschungsfeld, zeigen, dass traumatische Erfahrungen von Eltern oder Großeltern nicht nur im Gedächtnis, sondern auch in unseren Genen weitergegeben werden können.

Ein Beispiel: Eine Großmutter, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat und dort tief traumatisiert wurde, könnte, ohne es zu wissen, eine erhöhte Neigung zur Angst oder zum Stressverhalten an ihre Kinder weitergegeben haben. Diese Gene und die unbewussten Verhaltensmuster, die damit verbunden sind, können sich sogar bis in die nächste Generation fortpflanzen – in Deinem Leben. Du wachst morgens mit einer vagen, aber tief sitzenden Angst auf, ohne genau zu wissen, warum. Vielleicht ist das nicht Deine eigene Angst, sondern ein Erbe aus der Vergangenheit Deiner Familie.

Doch auch positive Eigenschaften können genetisch vererbt werden. Mut, Widerstandskraft, Kreativität – diese "guten Gene" aus den Leben Deiner Vorfahren können ebenfalls Dein eigenes Verhalten prägen und Dich dazu inspirieren, außergewöhnliche Dinge zu erreichen.


Epigenetische Vererbung: Traumata und ihre Weitergabe an Nachkommen

In der wissenschaftlichen Welt gibt es zunehmend Beweise dafür, dass nicht nur genetische Informationen über DNA von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, sondern auch epigenetische Markierungen, die die Aktivität unserer Gene beeinflussen. Epigenetik ist der Bereich der Genetik, der sich mit den Veränderungen an den Genen befasst, die nicht die DNA-Sequenz selbst betreffen, sondern die Art und Weise, wie die Gene ein- oder ausgeschaltet werden. Diese Veränderungen können durch äußere Einflüsse wie Umweltfaktoren, Ernährungsgewohnheiten und – besonders relevant für das Thema – Traumata und Stress entstehen.

Die Frage, die sich stellt, ist: Wie werden traumatische Erfahrungen über Generationen hinweg weitergegeben? Können Kinder tatsächlich die psychologischen Spuren von Traumata ihrer Eltern oder Großeltern tragen? Und wenn ja, wie genau geschieht das?

Es gibt mittlerweile mehrere Studien, die zeigen, dass traumatische Erlebnisse bei Eltern oder Großeltern epigenetische Spuren hinterlassen, die die genetische Aktivität der Nachkommen beeinflussen. Dabei spielen Mechanismen wie DNA-Methylierung und Histonmodifikationen eine zentrale Rolle.


A) Die Studie von Ruthie L. Smith und Kollegen (2011): Traumata und Ratten

Eine der bekanntesten und oft zitierten Studien zu epigenetischer Vererbung von Traumata wurde 2011 von Ruthie L. Smith und ihrem Team durchgeführt, die das Verhalten von Ratten untersuchten, die einem extremen Stress ausgesetzt waren. In diesem Experiment wurden Rattenmütter während ihrer Schwangerschaft einem intensiven Stress ausgesetzt. Die Forscher fanden heraus, dass die Nachkommen dieser Tiere veränderte Verhaltensweisen zeigten – insbesondere eine höhere Sensibilität gegenüber Stress, was durch eine Veränderung der DNA-Methylierung in einem bestimmten Gen, das für die Stressregulation zuständig ist, erklärt wurde.

Interessanterweise zeigten auch die Enkel dieser gestressten Ratten ein ähnliches verändertes Verhalten, obwohl sie keinem direkten Trauma ausgesetzt waren. Die epigenetischen Markierungen, die durch den Stress der Großmütter beeinflusst wurden, wurden über mehrere Generationen weitergegeben. Dies bedeutet, dass diese veränderten Gene – die durch Stressmodifikationen beeinflusst wurden – über die Generationen hinweg weitergegeben wurden, ohne dass die DNA-Sequenz selbst verändert worden wäre.


B) Der Fall der Holländischen Hungerwinter (1944-1945): Die Auswirkungen von Hunger und Trauma

Eine der berühmtesten Studien zur epigenetischen Vererbung von Traumata basiert auf den Erfahrungen von Überlebenden des Holländischen Hungerwinters (1944-1945), einer Zeit, in der Millionen von Menschen in den Niederlanden aufgrund einer deutschen Blockade während des Zweiten Weltkriegs unter extremem Hunger litten.

Wissenschaftler wie Dr. Michael Meaney und andere haben untersucht, wie die Schwangeren in dieser Zeit und ihre Kinder von den extremen Bedingungen beeinflusst wurden. Die Forschung zeigte, dass die Nachkommen dieser Mütter (die während ihrer Schwangerschaft dem Hunger ausgesetzt waren) ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen, wie Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aufwiesen.

Doch noch interessanter ist, dass auch diese epigenetischen Veränderungen nicht nur die erste Generation betrafen, sondern auch in den Enkelkindern der betroffenen Mütter nachweisbar waren. In einer 2011 durchgeführten Studie fanden Forscher heraus, dass die Methylierungsmuster bestimmter Gene bei den Enkeln von Hungeropfern verändert waren, obwohl diese Kinder nicht selbst dem Hunger ausgesetzt waren.

Diese epigenetischen Markierungen auf Gene, die für den Stoffwechsel zuständig sind, beeinflussten die Stoffwechselregulation der nachfolgenden Generationen. Das bedeutet, dass der Stress und die Traumata von Eltern oder Großeltern die Genaktivität der Nachkommen über epigenetische Mechanismen beeinflussen und in gewissem Maße sogar genetische Prädispositionen für bestimmte Erkrankungen hervorrufen können.


C) Die Untersuchung von PTSD und Transgenerationaler Vererbung (Yehuda et al., 2016)

Ein weiteres zentrales Beispiel kommt aus der Forschung zur posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Dr. Rachel Yehuda und ihre Kollegen haben mehrere Studien zu den Auswirkungen von PTBS bei Eltern auf deren Kinder durchgeführt. Eine ihrer bekanntesten Studien, die 2016 veröffentlicht wurde, befasste sich mit den Nachkommen von Überlebenden des Holocausts.

Die Forscher fanden heraus, dass die Kinder von Holocaust-Überlebenden, die nie selbst traumatisiert wurden, dennoch eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für PTBS und Angststörungen aufwiesen. Dies deutete darauf hin, dass epigenetische Veränderungen, die während des Traumas der Eltern entstanden, nicht nur in den betroffenen Eltern, sondern auch in ihren Nachkommen nachweisbar waren.

In dieser Studie wurde festgestellt, dass insbesondere die DNA-Methylierung von Genen, die mit Stressbewältigungund Angstregulation zu tun haben, verändert war. Diese Veränderungen wurden sowohl in den Eltern als auch in deren Kindern dokumentiert. Auch hier wurde keine Veränderung in der genetischen Sequenz selbst festgestellt, sondern lediglich eine Veränderung der Genexpression – ein klarer Hinweis auf epigenetische Vererbung.


Wie werden Traumata vererbt?

Traumata können auf nachfolgende Generationen übertragen werden, auch wenn die Kinder das traumatische Ereignis selbst nicht erlebt haben. Zwei epigenetische Mechanismen spielen hierbei eine zentrale Rolle:

a) DNA-Methylierung

Bei der DNA-Methylierung wird eine Methylgruppe an die DNA angehängt, was die Genaktivität verändert, ohne die DNA-Sequenz selbst zu verändern. Diese Modifikation kann durch Stress oder traumatische Erfahrungen ausgelöst werden und stabil über Zellteilungen erhalten bleiben. Wenn Eltern einem starken Trauma ausgesetzt waren, können die Methylierungen an bestimmten Genen die Hormonregulation, das Immunsystem und die Stressbewältigung ihrer Kinder beeinflussen.

b) Histonmodifikationen

Histone sind Proteine, um die sich die DNA windet. Sie regulieren, wie dicht oder locker die DNA verpackt ist, und beeinflussen so die Genaktivität. Stress oder bestimmte chemische Einflüsse können diese Histone verändern, was sich ebenfalls auf die Genaktivität auswirkt. Auch diese Modifikationen können über Generationen weitergegeben werden.

Werden Traumata zu 50 % von Vater und Mutter vererbt?

Epigenetische Vererbung folgt nicht den klassischen genetischen Regeln. Es gibt keine feste 50/50-Aufteilung wie bei der Genvererbung. Sowohl Mutter als auch Vater können epigenetische Veränderungen weitergeben, wobei manchmal ein Elternteil stärkeren Einfluss hat. Auch Großeltern können solche Veränderungen weitergeben, was zeigt, wie komplex die epigenetische Vererbung von Traumata ist.



Die Geschichte der Familie: Ein unsichtbares Erbe


Familäres und gesellschaftlichesErbe

Unser Selbst ist das Ergebnis von unsichtbaren Einflüssen, die tief in unserem Wesen verankert sind und unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Diese Einflüsse sind nicht nur genetisch bedingt, sondern auch das Resultat der Geschichte unserer Familie und der Erfahrungen, die über Generationen weitergegeben werden. Das, was wir mittragen – bewusst oder unbewusst – prägt unser Leben oft auf eine Art und Weise, die uns nicht immer bewusst ist.


Das unsichtbare Erbe der Familie

Unsere familiäre Geschichte wirkt als unsichtbares Erbe, das uns in vielen Formen begleitet. Es sind nicht nur die Geschichten, die uns erzählt werden, oder die Werte, die uns mitgegeben werden – es sind oft unbewusste Probleme, die sich über Generationen hinweg übertragen. Zum Beispiel können ungelöste Konflikte, Trauma oder unterdrückte Ängste von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Diese „unsichtbaren Erbschaften“ haben eine starke prägende Kraft und spiegeln sich in unserem Verhalten wider, oft ohne dass wir den Ursprung dieser Muster erkennen. In einer Familie, in der beispielsweise häufig über Geld gesorgt wurde, könnte sich das unbewusste Erbe einer tief verwurzelten Ängstlichkeit bezüglich Sicherheit oder Mangel durchsetzen – eine Haltung, die wir vielleicht nicht bewusst übernommen haben, die aber dennoch unser Verhalten bestimmt.


Gegensätze und plötzliche Gegenströme zwischen den Generationen

Doch das unsichtbare Erbe kann auch zu plötzlichen Gegenströmen führen, wenn neue Generationen mit den Werten und Gewohnheiten ihrer Eltern oder Großeltern brechen. In der systemischen Therapie wird oft beleuchtet, wie diese Gegensätze entstehen, wenn neue Generationen beginnen, die Muster der vorherigen Generation zu hinterfragen oder sogar ganz bewusst zu verändern. Diese Veränderungen sind nicht immer bewusst geplant, sondern können als Reaktion auf die unsichtbaren „Lasten“ der Vergangenheit auftreten.

Ein Beispiel für einen solchen plötzlichen Gegenstrom könnte eine jüngere Generation sein, die in einer Zeit des Wohlstands aufwächst und plötzlich den Wert von Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung entdeckt, während die vorherigen Generationen durch Entbehrungen geprägt waren und Wert auf Sparsamkeit und Sicherheit legten. In Familien, in denen diese Widersprüche aufeinandertreffen, kann es zu Spannungen kommen, da die jüngeren Generationen oft versuchen, die ungelösten oder unterdrückten Ängste und Themen der älteren Generationen zu überwinden – ohne dass sie sich dessen voll bewusst sind. Diese unbewussten Reaktionen, die als „Gegenströmungen“ auftauchen, sind oft eine Form der Befreiung von belastenden Mustern.



Die Geschichte der Familie: Ein unsichtbares Erbe

Ein einzigartiges Selbst im Spannungsfeld zwischen unsichtbarem Erbe und Veränderung

Das unsichtbare Erbe unserer Familie, das unsichtbare „Mittragen“ von Werten, Glaubenssätzen und ungelösten Problemen, verbindet sich mit den Einflüssen unserer eigenen Umwelt und Erfahrungen zu einem einzigartigen Selbst. Diese Verbindung aus Generationen, die uns sowohl formt als auch herausfordert, ist der Ursprung vieler unserer Verhaltensmuster und Überzeugungen. Doch wir haben die Möglichkeit, uns dieser unsichtbaren Einflüsse bewusst zu werden und sie zu hinterfragen. Nur wenn wir erkennen, was wir unbewusst mittragen, können wir die Möglichkeit zur Veränderung ergreifen.

In der systemischen Therapie wird oft genau diese Bewusstwerdung genutzt, um nicht nur zu verstehen, wie sich diese unbewussten Erbschaften zeigen, sondern auch, wie wir aktiv einen Wandel herbeiführen können. Durch die Auseinandersetzung mit unserem „unsichtbaren Erbe“ und den Gegenströmungen, die es hervorruft, können wir einen neuen Weg finden, der unser Leben freier und selbstbestimmter gestaltet.


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