ADHS/ADS im Erwachsenenalter - Schussel oder Quatschtante
ADHS/ADS Neues aus der Erwachsenendiagnostik!
Mittlerweile ist das Internet voll von ADHS/ADS Beiträgen und Eigenerfahrungen auf Insta, Facebook, TIKTOK und Co. - es gibt Coaches, Bücher, und Leitsprüche. Die Tatsache, das viel über die Hirnstoffwechselstörung gesprochen wird ist wirklich toll und mittlerweile wird dies nicht nur von einigen Hirnforschern oder Soziologen neurodivers gesehen auch von vielen anderen Stellen und Betroffenen.
In diesem Blogbeitrag widme ich mich der Thematik ADHS/ADS im Erwachsenenalter. Ich möchte genauer beleuchten, wie die Diagnosestellung bei Erwachsenen erfolgt und welche Unterschiede es zur Kinderversion gibt.
Es ist wichtig anzumerken, dass die Diagnose von ADHS/ADS im Erwachsenenalter eine Herausforderung darstellt und keineswegs leichtfertig erfolgen sollte. Es handelt sich nicht um ein modisches Symptom, das bloß einem vermeintlichen "Schussel" oder einer "Quatschtante" zugeschrieben werden kann. Die Abgrenzung zu anderen psychischen Störungen ist komplex, und nur wenige Fachkräfte in Deutschland führen eine spezifische Diagnostik im Erwachsenenalter durch.
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) kann sich bei Erwachsenen auf verschiedene Weisen äußern. Die Symptome ähneln denen, die bei Kindern und Jugendlichen auftreten, können sich jedoch im Verlauf des Erwachsenenalters verändern. Hier sind die Kernsymptome von ADHS bei Erwachsenen:
Hyperaktivität und innere Unruhe: Während Kinder oft durch körperliche Unruhe auffallen, äußert sich dies bei Erwachsenen eher als innere Unruhe. Sie verspüren das Bedürfnis, sich zu bewegen, können aber oft nicht stillsitzen. Situationen, die längeres Sitzen erfordern, werden gemieden. Viele Betroffene wippen mit dem Fuß oder trommeln mit den Fingern, um ihre Unruhe zu lindern.
Aufmerksamkeitsstörungen: Probleme mit der Aufmerksamkeit sind ein zentrales Merkmal von ADHS bei Erwachsenen. Sie sind leicht ablenkbar und haben Schwierigkeiten, ihre Konzentration gezielt auf eine Aufgabe oder einen Gesprächspartner zu lenken. Umgebungsreize überfluten sie oft, und es fällt ihnen schwer, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Das Lesen von Texten erfordert oft mehrere Durchgänge.
Impulsivität: Viele Erwachsene mit ADHS haben Schwierigkeiten, Impulse zu kontrollieren. Sie handeln oft spontan, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Impulsives Verhalten kann sich in verschiedenen Lebensbereichen zeigen.
Um die Diagnose ADHS im Erwachsenenalter zu stellen, müssen die Symptome bereits in der Kindheit vorhanden gewesen sein und aktuell in mindestens zwei verschiedenen Lebensbereichen zu Beeinträchtigungen führen (z. B. im familiären Umfeld und im Beruf). Es gibt verschiedene Subtypen von ADHS, die je nach vorherrschender Symptomatik unterschieden werden.
Diagnostik
Die Diagnose von ADHS bei Erwachsenen erfordert eine sorgfältige Untersuchung und Bewertung durch einen Facharzt. Hier sind einige Schritte und Methoden, die bei der Diagnosestellung helfen:
Anamnese (Exploration):
Ein ausführliches Gespräch mit dem Betroffenen steht im Vordergrund.
Es werden aktuelle Probleme, Belastungen und Symptome erfragt.
Die Lebensgeschichte und die Entwicklung der Probleme bis zur Gegenwart werden erhoben. Partner, Eltern oder andere Bekannte können hilfreiche Informationen liefern.
Fragebögen und Tests:
Verschiedene Fragebögen können eingesetzt werden:
ADHS-DC: ADHS Diagnostische Checkliste
ADHS-E: ADHS Screening für Erwachsene
ADHS-SB: ADHS Selbstbeurteilungsskala
CAARS-O: Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten für Erwachsene (Fremdbeurteilung)
CAARS-S: Conners Skalen zu Aufmerksamkeit und Verhalten für Erwachsene (Selbstbeurteilung)
WIR: Wender-Reimherr Interview
Weitere spezialisierte Fragebögen können ebenfalls verwendet werden.
Klinisches Urteil:
Der Arzt wertet die gesammelten Informationen aus und trifft eine Diagnose.
Dabei werden auch andere mögliche Ursachen für die Symptome ausgeschlossen.
Behandlungsmethoden:
Die Behandlung von ADHS bei Erwachsenen kann eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen umfassen. Hier sind einige häufige Behandlungsmethoden:
Medikamente:
Stimulanzien wie Methylphenidat (z. B. Ritalin) oder Amphetamin (z. B. Adderall) werden oft verschrieben, um die Aufmerksamkeit und Impulsivität zu verbessern.
Nicht-stimulierende Medikamente wie Atomoxetin (Strattera) können ebenfalls verwendet werden, insbesondere wenn Stimulanzien nicht gut vertragen werden.
Die richtige Medikation und Dosierung sollten individuell mit einem Facharzt abgestimmt werden.
2. Verhaltenstherapie:
Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) kann helfen, negative Denkmuster zu ändern und Bewältigungsstrategien zu entwickeln.
Achtsamkeitstraining kann die Selbstregulation verbessern und Stress reduzieren.
3. Neurofeedback
kombiniertes Gehirnwellentraining - Neurofeedback mit der Möglichkeit zum direkten Transfer (Gehirnjogging, Sport, etc. )
4. Struktur und Routinen:
Ein strukturierter Tagesablauf kann helfen, die Symptome zu kontrollieren.
Organisationshilfen wie Kalender, Erinnerungen und To-Do-Listen sind nützlich.
5. Lebensstiländerungen:
Bewegung und regelmäßige körperliche Aktivität können die Symptome mildern.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten?
Gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf sind wichtig.
5. Unterstützung durch Selbsthilfegruppen und Therapeuten:
Der Austausch mit anderen Betroffenen kann hilfreich sein.
Ein Therapeut kann individuelle Strategien zur Bewältigung von ADHS-Symptomen vermitteln.
Dopamin
der faszinierende Neurotransmitter, spielt eine entscheidende Rolle im zentralen Nervensystem und beeinflusst unser Verhalten, unsere Emotionen und unsere kognitiven Funktionen. Lassen Sie uns die Zusammenhänge zwischen Dopaminmangel und -Überschuss im Kontext von ADHS/ADS genauer betrachten:
Dopaminmangel bei ADHS/ADS:
Bei Personen mit ADHS/ADS steht Dopamin dort, wo es benötigt wird – nämlich im Gehirn – nicht in ausreichender Menge zur Verfügung.
Ein Dopaminmangel führt zu gestörter Signalübertragung und beeinträchtigt das Zusammenspiel im Aufmerksamkeits- und Motivationssystem.
Die exekutiven Funktionen, wie z. B. die Fähigkeit zur Selbstregulation und Impulskontrolle sind betroffen.
Neurobiologie im synaptischen Spalt:
Unsere Reise beginnt in einer Nervenzelle (Neuron), dem Grundelement des Nervensystems.
Die Signalübertragung zwischen Neuronen erfolgt durch Neurotransmitter im synaptischen Spalt.
Dopamin ist ein solcher Neurotransmitter, der Informationen zwischen Nervenzellen verarbeitet und positive Glückserlebnisse vermittelt.
Prozess im synaptischen Spalt:
In der Präsynapse wird Dopamin in Vesikeln gespeichert und durch elektrische Signale freigesetzt.
Im synaptischen Spalt dockt Dopamin an Rezeptoren der Postsynapse an.
Bei ADHS-Betroffenen finden sich an der Präsynapse eine höhere Anzahl von Dopamintransportern.
Insgesamt zeigt sich, dass Dopamin eine Schlüsselrolle bei ADHS/ADS spielt.
Hier sind einige Strategien, um das Dopaminungleichgewicht bei ADHS zu verbessern:
Ernährung und Nahrungsergänzung:
Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung, die reich an Tyrosin ist. Tyrosin ist eine Aminosäure, die für die Dopaminsynthese benötigt wird.
Lebensmittel wie Fisch, Eier, Hülsenfrüchte, Nüsse und Bananen enthalten Tyrosin.
Bewegung und Sport:
Regelmäßige körperliche Aktivität fördert die Freisetzung von Dopamin.
Aerobes Training wie Laufen, Schwimmen oder Radfahren kann besonders hilfreich sein.
Stressmanagement und Achtsamkeit:
Stress beeinflusst das Dopaminsystem negativ. Praktizieren Sie Meditation und Achtsamkeit, um Stress abzubauen.
Schlaf und Erholung:
Ausreichender Schlaf ist wichtig, um das Dopaminungleichgewicht zu korrigieren.
Achten Sie auf eine regelmäßige Schlafenszeit und schaffen Sie eine entspannte Schlafumgebung.
Vermeidung von Stimulanzien und Koffein:
Menschen mit ADHS sind oft anfällig für Suchtverhalten. Stimulanzien wie Kaffee oder Energy-Drinks können das Dopaminungleichgewicht verschlimmern. .
Vitamin- und Mineralstoffversorgung:
Die Differenzialdiagnostik
bei ADHS ist entscheidend, um andere Störungen mit ähnlichen Symptomen auszuschließen. Hier sind einige wichtige Aspekte der Differentialdiagnose:
Akute Stressreaktionen:
Manchmal ähneln die Symptome von ADHS einer gesunden Stressreaktion auf belastende Situationen. Es ist wichtig, diese vorübergehenden Reaktionen von ADHS zu unterscheiden.
Unerkannte Hochbegabung oder Minderbegabung:
Hochbegabte Menschen können ähnliche Verhaltensweisen wie ADHS zeigen, z. B. Ungeduld, schnelle Ablenkbarkeit und Impulsivität.
Minderbegabung kann ebenfalls zu Konzentrationsproblemen führen.
Organische Primärstörungen:
Schlafstörungen, postkommotionelle Syndrome, Mangelerscheinungen (z. B. Vitamin D, B12, Zink, Eisen), Migräne, Schilddrüsenprobleme und andere organische Ursachen sollten ausgeschlossen werden.
Restless-Legs-Syndrom (RLS):
RLS kann ähnliche Symptome wie ADHS verursachen.
Substanzmissbrauch und Sucht:
Alkohol, illegale Drogen und Nikotin können ADHS-ähnliche Symptome hervorrufen.
Psychische Störungen:
Angststörungen, affektive Störungen, Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) und Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPD) können ähnliche Symptome aufweisen.
Pränatale Schädigung durch Alkohol (FAS):
FAS kann zu Verhaltensproblemen führen, die ADHS ähneln.
Anfallsleiden (Epilepsie):
Epilepsie kann sich mit ADHS-Symptomen überlappen.
Die Differentialdiagnose ist komplex und erfordert eine individuelle Bewertung durch einen Facharzt.
ADHS und Begleiterkrankungen
ADHS kann bei Erwachsenen häufig von Begleiterkrankungen begleitet werden. Diese assoziierten Störungen oder Komorbiditäten treten oft gemeinsam mit ADHS auf. Hier sind einige der häufigsten Begleiterkrankungen:
Ängste und Depressionen:
Bis zu 50 % der erwachsenen ADHS-Betroffenen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Angststörung und/oder Depressionen.
Es ist wichtig, sowohl die Ängste und Depressionen als auch das ADHS zu behandeln.
Zwangsstörungen:
Bei Auftreten von Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen wird das ADHS oft übersehen, da Betroffene oft äußerst genau und perfektionistisch sind.
Es ist jedoch kein Widerspruch, dass Zwang und Chaos bei ADHS nebeneinanderstehen können.
Andere Begleiterkrankungen:
Im Kindesalter sind die folgenden Erkrankungen gut erforscht:
Leserechtschreibstörung (bis zu 30 % der Fälle)
Rechenstörung (bis zu 30 % der Fälle)
Ticsyndrom (Tourette) (10 - 20 %)
Autismusspektrumstörung (in 10-15 % der Fälle)
Zwänge
Störung des Sozialverhaltens und oppositionelle Verhaltensweisen
Schlafstörungen
Symptomwandel im Erwachsenenalter:
Im Erwachsenenalter zeigt sich ein sogenannter Symptomwandel, bei dem sich die Symptome im Laufe des Lebens verändern.
Oft werden nur die sogenannten Begleiterkrankungen festgestellt, und das darunterliegende ADHS wird nicht erkannt.
Forschungsprojekte:
Es gibt laufende nationale Forschungsprojekte, die sich mit ADHS befassen:
ADOPT: Affective Dysregulation in Childhood - Optimizing Prevention and Treatment (Koordination Prof. Dr. Manfred Döpfner, Universität Köln)
ESCAlife: Evidence-based Stepped Care of ADHD along the life span (Koordination Prof. Dr. Tobias Banaschewski, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, Mannheim)
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